Standort
Nordsee - Möglicherweise im Gebiet der Doggerbank
Koordinaten
55° Nord - 3° Ost (Doggerbank)
Allgemeines
Abgesehen von explizit ideologisch motivierten Atlantishypothesen und ihren Anhängern, verfochten im 20.
Jahrhundert aber auch einige sachlich argumentierende Wissenschaftler und Privatforscher die Idee,
Atlantis könne im Norden des atlantischen Großraums lokalisiert werden. So etwa der schwedische Mineraloge
und Geologe Arvid Gustaf Högbom, der es bereits vor 1920 im Gebiet der Nordsee vermutete. Ende der 1940er
Jahre wurde die Vorstellung eines 'Atlantis des Nordens' von dem norddeutschen Pastor Jürgen Spanuth
aufgegriffen. In seinem Buch 'Das enträtselte Atlantis' (1953) lokalisiert er das untergegangene
Vorzeit-Reich in der Nordsee - eine versunkene Insel östlich von Helgoland deutete Spanuth dabei als
Hauptstadt von Atlantis. Für Spanuth war die Kultur der Atlantier mit der Nordischen Bronzezeit und der
Seevölkerwanderung zu identifizieren. Da dies aber nicht mit Platons Zeitangabe von 9000 Jahren
übereinstimmt, behauptet Spanuth, die Ägypter hätten statt 'echter' Jahre (Erdumläufe
um die Sonne) vielmehr Mondjahre (Mondumläufe um die Erde) gemeint. In der Tat rechneten die Ägypter
in sehr früher Zeit in Mondjahren, allerdings bestand für sie ein Mondjahr aus 13 Mondumläufen,
womit es nur unwesentlich kürzer als ein Sonnenjahr war.
In den 1960er Jahren nahm der Theologe Günther Kehnscherper in der damaligen DDR Spanuths Thesen auf.
Ebenso wie Spanuth betrachtete auch Kehnscherper die Überflutung Helgolands und der schleswigschen Nordseeküste
als Auslöser der Wanderung der Seevölker. Kehnscherper hielt Helgoland jedoch nicht für die atlantische
Königsinsel. Anders als Spanuth identifizierte Kehnscherper die Seevölker nicht hauptsächlich als germanische
Nordvölker, sondern als eine von mitteleuropäischen Urnenfelderleuten geführte Koalition mit Nordvölkern und
Balkanvölkern, und folgte dabei eher Forschungsergebnissen z.B. der ungarischen Archäologin Amalia Mozsolics.
1975 veröffentlichte der (west-)deutsche Journalist und Schriftsteller Gerhard Herm sein, ebenfalls auf Spanuths
Vorarbeit basierendes, Modell eines skandinavisch-nordeuropäischen Atlantis, und 1982 präsentierte die
dänische Autorin Kirsten Bang ein ähnliches Konzept zur Lösung des Atlantisproblems, wobei sie den versunkenen
'Kontinent' in der heutigen Nordsee, vor den Küsten der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks vermutete.
Der französische Privatgelehrte Jean Deruelle legte 1990 eine komplexe Studie vor, in der er Atlantis
als verloren gegangenes Zentrum der Megalithkulturen identifizierte, das in Form einer enormen, ca. 300 km
langen Insel zwischen Britannien und Skandinavien dort in der Nordsee gelegen haben soll, wo sich heute die
so genannte Doggerbank befindet. Gegenwärtig gehören zu den wesentlichen Protagonisten der nordischen
Atlantis-Hypothese der italienische Nuklear-Ingenieur Felice Vinci, der französische Autor Sylvain Tristan
sowie die beiden deutschen Privatforscher Günter Bischoff und Hermann Zschweigert.
Bildmaterial
Das Gebiet der Doggerbank in der Nordsee gehört zu den Örtlichkeiten,
die im Rahmen moderner nördlicher Atlantis-Lokalisierungen diskutiert werden.
Referenzen/Literatur
Thorwald C. Franke (Hrsg.), Gunnar Rudberg
Atlantis and Syracuse
Norderstedt, 2012, S.25
Jürgen Spanuth
Mein Weg nach Atlantis
MERIAN - DAS MONATSHEFT IM HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
2. Jahrgang - Hamburg 1949 - 5. Heft, S. 67-71
(LINK)
Günther Kehnscherper
Liegt Atlantis bei Helgoland?
Neue Zeit, Nr. 161, 14. Juli 1963
(LINK)
Gerhard Herm
Die Kelten: das Volk, das aus dem Dunkel kam
Econ Verlag, 1975
Kirsten Bang
Atlantis og Norden
Bogan, Dänemark, 1982
Jean Deruelle
De la préhistoire à l'Atlantide des mégalithes
Paris, 1990
Sylvain Tristan
Jean Deruelle's Atlantis
(LINK) (abgerufen: 21. Februar 2013)
Felice Vinci
The Baltic Origins of Homer's Epic Tales
Rochester (Inner Traditions), 2006
Sylvain Tristan
Les Lignes d'or
Paris (Alphée) 2005
sowie Ders.: Atlantide, premier empire européen
Paris (Alphée), 2007
Günter Bischoff
Atlantis - Die Enträtselung im 20. Jahrhundert
(LINK) (abgerufen: 21. Februar 2013)
Hermann Zschweigert
'Atlantis und seine Streitkräfte - Ein Beitrag zur Suche nach Atlantis aus strategischer und militärischer Sicht'
Jürgen Spanuth zum 100. Geburtstag am 5. September 2007
(LINK) aus: SYNESIS-Magazin Nr. 5/2007, S. 32-39.